Zeichenlos glücklich
Ich stehe bei REWE an der Kasse
und warte auf das Signal
bin an der Reihe
meine Einkäufe liegen
sorgfältig geordnet
auf dem schwarzen Band
das mir nun
entgegenkommt
die Kassiererin
ist nicht neu
aber wir kennen uns nicht
selten gesehen
aber es gibt
einige neue Gesichter
hier haben viele gekündigt
manche von ihnen
habe ich längst vergessen
neulich bin ich
in einer ruhigen Minute
noch einmal
die letzten zehn
Jahre durchgegangen
relativ unsystematisch
aber das war mir auch egal
manche habe ich
wiedergefunden
.
Nun stehe ich
mit meinem Rucksack
in schwarzer Montur
hier und warte darauf
dass ich alles einpacken
kann und bezahlen
muss ich auch
insgeheim hoffe ich
dass mich heute
niemand
beobachtet, denn
ich kaufe heute
FISCH
er ist
im Angebot
.
Die Katastrophe
verhindere ich
heute nicht
und vermutlich
scheitere ich
an alter
Gewohnheit
oder inzwischen
einfach am Alter
Gewohnheit
brauche ich
um nicht völlig
verrückt zu werden
mit den ganzen
Veränderungen
in der Welt
die heute
früher immer
besser war
–
allerdings
braucht das
deutsche ‚immer‘
gewisse
Gedächtnislücken
es ist eine
fragmentarische
Akte
die Mäuse
haben das
Schicksal
gefressen
.
In einer
unverhofften
Minute
stehe ich
sehe
dich
unbedacht
ohne Kopfhörer
bin
zu selten
im Raum
höre etwas
denke an
damals an
Mülheim den
Rhein den
Sommer und
das du, das ich
den Dialog
die Zeit
die Stunden
die gut waren
die echt waren
liebevoll kurz
jugendlich
glücklich
das war
früher
wie wird
das
Früher heute
erwachsen
ich bin
neugierig
und
überrasche
mich
selbst
Supermarktgeräusche einspielen
.
Jetzt hat mich
der Flashback
einfach so
gegen die Wand
gefahren wie
gut wie
spontan wie
das Leben
mich trifft wie
treffen wie
getroffen wie
werden wie
…
–
ich weiß nicht
du wusstest
er, sie, es wissen
auch nichts
zumindest
glaube ich
das
bilde mir
ein
stehe wie
ein
Astronaut
im neuen
Kostümladen
in den
Arkaden
und suche das
passende
weiße Hemd
oder
T-Shirt
und warte
dass
das Vakuum
sich ergibt
und mich
bedient
–
keine
Chance
.
Es fühlt sich
ganz echt an
verrücktes Leben
verrückter Mensch
verrückt war’s eigentlich
gar nicht so sehr
eher das Gegenteil
gut wars und dann
wars halt rum
und jetzt ist’s
noch da
unbefangen
holt es mich
manchmal zurück
und das Jetzt
trifft sich mit
dem Gestern
im Morgen
und sie sagen
sich
vermutlich
nur
dass es noch da
ist, dass du
noch da bist, dass
ich noch da
bin
und ich will auch
aber wollen
geht oft auch
einfach nur
schief
aber
nun sind wir
anders
und
zusammen
und
glücklich
und derweil lächelt
die Kassierin
mit all den Leuten
und fragt mich
ob ich
mit der Karte bezahle
und ich zucke mit den Schultern
und warte darauf
dass da noch mal was kommt
aber das Band ist gerissen
schwarze Luft
atmet mich
aus
kein Payback
–
die Erinnerung
dann du, heute
dann check ich das erst
dann ist es schon vorbei
und ich merke
dass morgen
schon wieder
ein Jahr weniger
mehr wird
für uns
also wird es
Zeit
dass wir uns
noch mal
begegnen
und dann
erinnern wir uns
noch mal daran
dass es morgen
nur schön wird
und nicht schwer
und nicht leblos
sondern
authentisch
wenn du sagst
wo es lang geht
und der Rhein
uns begleitet
.
Ich habe eine Frage
wenn du das nächste Mal
in meinem Rücken lauerst
werde ich vorbereitet sein
und vermutlich
falle ich dir
einfach
in die Arme
und rieche
den Frühling
in deinem Blick
und schmecke
den Sommer
in deiner Stimme
und du bist längst
so schön anders
wie ich
bunt wird der
Winter
–
in der Kälte
wartest du auf
und ich bin froh
dass das endlich
einer macht
einer zugibt
einer genauso
wartet
wie ich
auf den Menschen
der früher
in der Welt war
und heute noch ist
aber irgendwie
aber irgendwo
verloren gegangen
zu sein scheint
…
und dann ist da
etwas
manchmal
bleibt er
und auch sie
bleiben wir
einfach unsichtbar
zurück
wie das Sediment
die Natur
im Hintergrund
glückliche Elemente
sind zusammen
für den Moment
der
ganz sicher
bald
kommt
und dann
sind wir
im Untergang
vereint
aber
nicht so
alleine
.
Ich bezahle
mit der Karte
höre die Stimmen
der anderen
die alle anders sind
aber nichts hören
leblos
verglichen zu deiner
und
mein Rucksack
trägt mich
nach Hause, nachdem
ich
die Rechnung
für heute
beglichen
habe
und der Frau
hinter der alten
Coronaschutzvorkehrung
einen guten Rutsch gewünscht
habe
von Herzen
und sie
mir auch
und jetzt warten wir beide
auf den nächsten Menschen
der zwischen den Waren
uns in der Welt
gemeinsam
ein Lächeln verschenkt
etwas von sich
gegen das Fremde
der Supermarkt
lässt uns zurück
und dann
bin ich
zu Hause
und schreibe
noch ein paar Zeilen
in das Fotoalbum
…
der letzte Fisch
ist im Ofen.