Eichendorff + meine Wenigkeit (13. Dezember 2020)

Andrer Typ, paar Jahre später

Eichendorff + meine Wenigkeit (13. Dezember 2020)

 

Weihnachten (1864)

Markt und Straßen stehn verlassen,
Still erleuchtet jedes Haus,
Sinnend geh’ ich durch die Gassen,
Alles sieht so festlich aus.

An den Fenstern haben Frauen
Buntes Spielzeug fromm geschmückt,
Tausend Kindlein stehn und schauen,
Sind so wunderstill beglückt.

Und ich wandre aus den Mauern
Bis hinaus in’s freie Feld,
Hehres Glänzen, heil’ges Schauern!
Wie so weit und still die Welt!

Sterne hoch die Kreise schlingen,
Aus des Schnee‘s Einsamkeit
Steigt’s wie wunderbares Singen –
O du gnadenreiche Zeit!

Joseph Freiherr von Eichendorff

 

Andrer Typ, paar Jahre später

Die Geschäfte haben zu, nix auf…
Ich sitz‘ zuhause und schau Netflix
Ab und zu geh‘ ich ne Runde um den Block
Ist eigentlich alles wie immer, jetzt.

An den Fenstern hängen LED-Lichterketten
Das Blinken macht einen total wahnsinnig
Würde es zumindest machen, wäre
Die Weihnachtszeit nicht schon…
– verrückt genug dieses Jahr.

Wenn ich die Wohnung verlasse, verlassen darf
Dann geh‘ ich ne Runde an den Rhein
Das ist ziemlich beruhigend, Poller Wiesen und so
Kein Weihnachtsmarkt, kein Glühwein, keine Bratwurst
– „weit und still ist die Welt [wirklich, sag ich euch]!“

Ist trotzdem ganz okay, okay ist gut
Wird schon weitergehen – nächstes Jahr
Irgendwie und ich sag‘s mal so:
Diese Party ist noch nicht over
Die Messe nicht gelesen und das zu wissen,
ist mir mein Geschenk!

Dieses Jahr.

 

Bildnachweis: „Wikipedia: Foto H.-P.Haack“, CC BY-SA 3.0,via Wikimedia Commons

Die Stadt regelt den Rest (Foto, 11.12.2020)

Die Stadt regelt den Rest

Die Stadt regelt den Rest (Foto, 11.12.2020)

Die Stadt regelt den Rest // Wenn man / von der „Party“ kommt / und die Stadt fängt dich auf / so wie damals / als man nicht wusste / was das ist // was da ist / die Luft / atmen / die genaue Geschichte / in ein paar Elementen / jenseits / dir / Vernunft // dann fehlt zwar / die Furchtbar / für einen Moment / aber die Stadt ist stärker / so sind die Menschen / und die Jugend drischt / vorwärts / vorwärts / und ich laufe / ja, ich / laufe / nicht hinterher / nur voraus / und verlasse die Party / mit einem Gefühl / sicher / dass die Vögel bald zwitschern / und der Kater / begräbt genderfragen an der Biegung des Flusses / und die Katerin / klatscht / statt leise / laut / sehr laut // am Samstag // *Applaus*

Weltende (Demo)

Manche sagen, es wär eigentlich okay
Wenn man eigentlich nirgendwo mehr hingeht
Wenn man fortan ohne Sinn lebt
Wenn die Welt ein bisschen stillsteht

Muss schon sagen, es ist eigentlich okay
Wenn man einfach mal nirgendwo mehr hingeht
Aber man muss schon ehrlich sagen
Es ist irgendwie auch bizarr
Wenn man irgendwie
nur noch mit sich selbst lebt

Hurra! Hurra! Die Welt geht unter
Hurra! Hurra! Die Welt geht unter

Und dann sitz ich hier am Fenster
Und ich seh‘ in meine Stadt
Und ich seh‘ sogar die Tiere
Sagen alles ab

Hurra! Hurra! Die Welt geht unter
Geht sie nicht, geht sie niemals!
Hurra! Hurra! Die Welt geht unter
Geht sie nicht, geht sie niemals!

Geht sie nicht, geht sie niemals?

Muss schon sagen, es ist irgendwie ein bisschen seltsam
Wenn da krude Demonstranten irgendwas fordern
Von dem sie selbst nicht genau wissen was es ist

Aber ja, ja, ja
Ich seh‘ die Gefahr
Ich seh‘ was dahinter steckt
Kenn‘ die Verschwörung
Sinnloser „Hirneffekt“

Hurra! Hurra! Die Welt geht unter
Geht sie nicht, geht sie niemals!
Hurra! Hurra! Die Welt geht unter
Geht sie nicht, geht sie niemals!

Hurra! Hurra! Die Welt geht unter
Geht sie nicht, geht sie niemals!
Hurra! Hurra! Die Welt geht unter
Geht sie nicht, geht sie niemals!

Geht sie nicht, geht sie niemals?
Geht sie nicht, geht sie niemals!

 

Foto Irgendwas bleibt, immerhin etwas (01. Dezember 2020)

Irgendwas bleibt, immerhin etwas

Foto Irgendwas bleibt, immerhin etwas (01. Dezember 2020)

Irgendwas bleibt, immerhin etwas // Wenn nichts bleibt / ist das ein komisches Gefühl / wenn du gehst / bleibt dann wirklich nichts außer mir / außer uns / außer dir / ohne dich / sitz ich anders / stehe unruhig / warte auf die Musik / die dann kommt / aber es tanzt sich so langweilig in der Küche, dass ich den Song gar nicht erkenne / weißt-du-noch-weiß-ich-noch-damals / fällt einfach weg / nicht einfach / plötzlich / das war doch so schön / das Gefühl / das Danach / die Jahrestage / auch das routinierte Termineintragenindenkalender (und das Trotzdemgemeinsamvergessen) / *an dieser Stelle darf gelacht werden, vorzugsweise in passender Gesellschaft* // heute weiß ich es besser / zumindest etwas / „Ich will nicht, dass du gehst, aber bitte werd‘ glücklich“ -> Ich weiß, dass du gehst, dass du das machst, was du immer tust und dabei so schaust, als wäre es das Leichteste der Welt und dann kommst du irgendwann zurück und man sieht dir die Arbeit nicht an. Und bis dahin warte ich und zehre von den Krümeln auf dem Frühstückstisch, denn ich habe heute frei und vergesse natürlich, den Schlafanzug auszuziehen, warte, bis du zurück bist und weiß, es ist irgendwie gut, wenn irgendwas und irgendwer bleibt, aber es ist auch gut, wenn es zwei sind. / *An dieser Stelle darf geheiratet werden, falls nicht schon geschehen. Vorzugsweise eine Person, die es so oder so ähnlich sieht und die mit dem Schlafanzug leben kann.*